Zwei Halbzeiten, zwei Gesichter – Teils berauschender Handball trotz Niederlage

09.11.2024 – Regionsoberliga Südwestsachsen – HSV Marienberg gegen SV Rotation Weißenborn 33:27 (20:8)

Am gestrigen Samstag stand für unsere eng besetzte Truppe die wohl größte Herausforderung der Saison an – das Auswärtsspiel beim noch ungeschlagenen Tabellenführer aus Marienberg, welcher bislang in beängstigender Regelmäßigkeit über jede Mannschaft hinwegfegte. Eine Tordifferenz von -18 war dabei das schonendste Resultat, welches wenige Teams erringen konnten. Im Bewusstsein dieser Tatsache sowie unserer schwankenden Form traten wir die Auswärtsfahrt durchaus angespannt an. Eine klare Kabinenansprache sollte den Mädels die Angst nehmen und gleichzeitig deutlich Ziele und Schwerpunkte der anstehenden Begegnung thematisieren. So wurde im Vergleich zu letzter Woche vor allem eine Verbesserung der Passqualität, mehr körperliche Härte, das konsequentere Einhalten von Abläufen, welche unserem Abwehrsystem zugrunde liegen und mehr Unterstützung im Kollektiv beim Angriffsspiel gefordert.

Der Start des Spiels war insofern vielversprechend, dass gerade vorne durch konsequentes, dynamisch agierendes Attackieren der gegnerischen Abwehrreihe qualitativ hochwertige Chancen bzw. Tore entstanden. Auch im Rückzugsverhalten und dem Führen von Defensivzweikämpfen merkte man den Mädels durchaus eine Willenssteigerung im Vergleich zu den letzten Partien an. Dennoch agierten sie nicht immer clever und geschlossen genug. Es schlichen sich Fehler ein, welche Mannschaften wie Marienberg sofort bestrafen. Die Mädels der Heimmannschaft fuhren Konter um Konter und setzten sich nach zehn Minuten bereits mit 9:3 ab. Unseren Spielerinnen war nun zunehmend die Unsicherheit anzumerken. Die Entscheidungsfindung auf allen Positionen ließ nach, der Schwung der ersten Minuten flachte ab. Das hohe individuelle Niveau des Gegners, welchem in dieser Phase nur durch eine konsequentere Zweikampfführung beizukommen gewesen wäre, ebnete dem Heimteam den Weg, um sich (scheinbar) vorentscheidend abzusetzen. Schließlich erlöste uns der Halbzeitpfiff beim Stand von 20:8 und teils hängenden Köpfen. Das Spiel stand auf der Kippe und ich befürchtete ehrlich gesagt Schlimmeres, falls es nicht gelingen würde, die Mädels nochmal aufzurichten.

In der Kabine wurde zunächst einmal dahingehend gelobt, dass sowohl im Angriff als auch in der Abwehr gute Ansätze erkennbar waren. Kleine Unkonzentriertheiten wie falsches Positionieren, nicht immer einfach verwertbare Anspiele und zu frühes Abschalten zum Beispiel galt es abzustellen. Viel mehr aber noch wurde an jede einzelne Spielerin appelliert nicht endgültig einzuknicken, sondern sich nochmal neu zu fokussieren und ergebnisunabhängig seriös aufzutreten, um sich hier nicht unterm Wert zu verkaufen.

In den ersten Minuten von Durchgang zwei schien dieser Input noch in den Köpfen zu arbeiten, denn Marienberg machte zunächst fleißig weiter, stellte schließlich auf 23:9, den höchsten Rückstand unsererseits in diesem Spiel. Doch etwas hatte sich dennoch verändert. In den Gesichtern meiner Spielerinnen entdeckte ich auf einmal ein Feuer, welches wir alle schon seit einiger Zeit vermissen. Auf der Kippe des Spiels begannen wir Marienberg das Erzielen von Toren deutlich zu erschweren, warfen uns in jeden Zweikampf und provozierten zunehmend Fehler des Gegners. Vorne hingegen schien sich eine Art Blockade zu lösen: Gemeinsames, effizientes Stoßen, tolle Laufwege, eine verbesserte Abschlussqualität und mehr Einsatzwille hielten das Ergebnis bis Mitte der zweiten Halbzeit weiterhin im Rahmen (38. Minute, 29:16). Und auch Ayline im Tor, welche anfangs noch keine Hand an den Ball bekommen wollte, begann auf einmal durch sehenswerte Paraden zu glänzen und sich nicht ihrem Schicksal zu ergeben.

Die Marienberger Mädels wirkten zunehmend verwundert von dieser Spielentwicklung, was auch ihrem Spiel anzusehen war. Unsere Spielerinnen hingegen mutierten nun endgültig wieder auf ein Niveau, welches ich seit unserer Sachsenliga-Qualifikation nicht mehr gesehen habe. Es waren nun endlich beide Mannschaften physisch und psychisch anwesend. Die Mädels waren fest entschlossen zu zeigen, dass unser leistungstechnisches Niveau nicht dem Ergebnis entspricht, sondern näher an dem des Heimteams liegt (wie auch in den engeren Spielen in ähnlicher Konstellation vor zwei Jahren). So spielten sie nun völlig entfesselt auf, verabreichten den Marienbergerinnen einen 9:0-Tore-Lauf und stellten drei Minuten vor Ende beim 29:25 sogar den Anschluss her. Dass dieser Kraftakt jedoch auch an der Kondition und Konzentration zerrte, nutze das Heimteam schließlich souverän, erzielte zum Ende entscheidende Tore, wodurch die Begegnung endgültig entschieden war. Als jedoch der Schlusspfiff ertönte, fühlten wir uns alle wie beflügelt. Strahlende, erleichterte Gesichter bei den Mädels, auf der Trainerbank und bei unseren Fans könnten den neutralen Beobachter glauben lassen, wir hätten einen Sieg errungen.

Die Punkte bleiben letztlich jedoch trotzdem verdienterweise in Marienberg, wozu wir unserem Gegner gratulieren! Auch lobend zu erwähnen sei das hohe Niveau, auf welchem alle Spielerinnen des Tabellenführers bereits jetzt agieren. Bereits jetzt freuen wir uns auf ein hoffentlich ähnlich ansehnliches Rückspiel in unserer heimischen Halle. Zudem danken wir unseren mitgereisten Fans und den Marienberger Schiedsrichtern für ihr Engagement! Für uns bleibt die Herausforderung, die zweite Halbzeit nun formtechnisch zu konservieren und endlich wieder regelmäßiger Handball auf diesem Niveau zu zeigen. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung haben die Mädels heute zweifelsohne getan und wir Trainer freuen uns daran anzuknüpfen und mehr davon zu sehen… im besten Fall bereits nächste Woche im Pokalspiel beim HV Grüna!

 

Es spielten: Lotta (6), Beri (9 [1/1]), Emma (4), Livi (3), Wanda (2), Cora (3 [2/2]), Ayline, Freya